Auf welche Größe setze ich? Die Frage nach der richtigen Granularität stellen sich Anforderungsanalysten häufig bei ihrem populärsten Modellierungselement, dem Anwendungsfall. Auf der Suche nach der passenden Granularität folgt man unterschiedlichen Modellierungsrichtlinien und Meinungen: Von "Ein Anwendungsfall muss von einem Anwender an einem System durchgeführt werden können." bis hin zu "Ein Anwendungsfall ist erst dann zu Ende, wenn das System zum Stillstand gekommen ist."
An dieser Stelle kommt ein weiterer Begriff ins Spiel: Befürworter des „Geschäftsanwendungsfalls“ werben damit, durch diese eigene Klasse von Anwendungsfällen zur Modellierung von Geschäftsprozessen das Problem der Granularität zu lösen. Diese Anwendungsfälle beschreiben Geschäftsvorfälle, welche sowohl system-/organisationsübergreifend als auch ganz oder teilweise ohne IT-Unterstützung realisiert sein können. Demgegenüber beschreiben die – zur besseren Abgrenzung auch Systemanwendungsfälle genannten – Anwendungsfälle Anforderungen an ein System. Die ursprüngliche Frage nach der Granularität von (System-) Anwendungsfällen bleibt noch unbeantwortet.
Hier mag man sich wundern, dass es immer noch keinen Standard bzw. kein Standardvorgehen für die Identifikation von Anwendungsfällen gibt – obwohl Anwendungsfälle zu den alteingesessenen Modellierungselementen in der Softwareentwicklung zählen. Das liegt vor allem daran, dass die Granularität eines Anwendungsfalles in hohem Maße vom zu beschreibenden System sowie der geforderten Qualität abhängt.
Beispielsweise reichen für die Entwicklung einer automatischen Brotbackmaschine die kleinen Anwendungsfälle „Teig kneten“ und „Teig backen“ nicht aus. Ein grobgranularer Anwendungsfall „Brot backen“ fordert hingegen eine Systemunterunterstützung für den gesamten Vorgang des Brotbackens.
Tipp:
Halten Sie sich an den Grundsatz, dass das zu beschreibende System die passende Größe und Granularität der Anwendungsfälle bestimmt. Modellieren Sie in einem Umfeld, das von Systemen in hohem Maße Prozessunterstützung und Benutzerführung fordert, neben kleinen Anwendungsfällen auch grobgranulare, prozessorientierte Anwendungsfälle.
Diese geben Analysten, Entwicklern und Testern wertvolle fachliche Informationen, mit denen sie die Anforderungen besser verstehen und ein passendes System entwickeln können.
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