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Viele Unternehmen haben die Vorteile von Business Process Management (BPM) für sich erkannt und eingesetzt. Sei es die Dokumentation, eine hohe Qualität durch Prozessreife oder auch eine automatisierte Ausführung der identifizierten und implementierten Prozesse. In der klassischen BPM eignen sich klar und fest strukturierte Prozesse daher hervorragend für Routinearbeiten. Jedoch ist Vorsicht geboten, wenn sich im Laufe der Zeit das Prozessergebnis vom eigentlichen Soll entfernt. Warum sollte das passieren?

Die Digitalisierung hat es ermöglicht, dass Kunden Unternehmen und ihre Leistungen auf neue Weise wahrnehmen können. Sie ist das Resultat aus mehreren Faktoren, wie zum Beispiel einem technologischen Wandel, dem Internet of Things oder auch Big Data. Deswegen müssen sich Unternehmen verstärkt anders am Markt positionieren. Neben der Umstellung des Business Designs müssen auch die Unternehmensprozesse digitalisiert werden, die sich zum einen aus dem neuen Design ergeben und zum anderen sowohl Business Capabiltites als Customer Journeys abdecken sollen. Hinter neuen Kontaktpunkten der Kunden mit dem Unternehmen kommen viele, auch sich ändernde, Anforderungen ins Spiel, welche dem Unternehmen zunehmend mehr Agilität abfordert.

Allerdings erlauben etablierte Prozessarchitekturen keinen flexiblen Spielraum. Daher müssen Prozesse meist grundlegend überarbeitet oder aber sogar neu entwickelt werden, um Kundenanforderungen gerecht zu werden. Damit verbunden ist zumeist ein langwieriges Vorhaben von der Analyse bis zur Umsetzung, welches Risiken mit sich bringt, denn der Markt verändert sich rasant mit jedem weiteren Konkurrenten, der auf den Digitalisierungszug aufspringt. Ebenso entwickeln sich Kundenanforderungen fort, sodass eine langwierige Umgestaltung der Unternehmensprozesse am Ende keine Nutzerakzeptanz genießt. Damit stößt die BPM im klassischen Sinne an ihre Grenzen. Hier entsteht die Forderung nach einer flexiblen und adaptiven BPM, welche die klassische BPM ergänzt und hilft, schneller agieren zu können.

Diese adaptive BPM lässt sich mit dem noch recht jungen Ansatz des Adaptive Case Management (ACM) umsetzen. In ACM werden im Grunde keine Prozesse modelliert, sondern Fälle. Ähnlich zu Fällen aus der Justiz oder der Medizin ist das Ziel eines Falles klar, aber nicht, wie dieses genau erreicht werden kann. Zum Beispiel ist es das Ziel eines Arztes, die Beinfraktur seines Patienten zu beheben. Sein Vorgehen zur Behandlung ist dabei von Beinfraktur zu Beinfraktur immer unterschiedlich, da sich ein Behandlungsprozess nur sehr grob vorgeben lässt. An dieser Stelle sind das Wissen und die Erfahrung des Arztes gefragt. Sie unterstützen ihn dabei, gewisse Tätigkeiten in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen. Hier unterscheidet sich der ACM-Ansatz bereits in zwei Punkten vom klassischen BPM-Ansatz:

  1. Es gibt keinen festen Prozess, sondern eher eine Vorlage von Best-Practices.
  2. Es findet keine Routinearbeit, sondern Wissensarbeit statt. Ein Aspekt, der in Prozesssprachen, wie beispielsweise der BPMN, nicht ausgedrückt werden kann.

In ACM wird demnach nicht beschrieben, WIE etwas zu erledigen ist, sondern WAS erreicht werden soll. Hierfür werden flexiblere Workflows eingesetzt, wie etwa der OMG-Standard Case Management Model and Notation. Mit dieser Sprache lassen sich sogenannte Case-Vorlagen erzeugen. Sie helfen Mitarbeitern gewisse Tätigkeiten zur Zielerreichung vorzugeben, aber auch davon abzuweichen. In diesem Aspekt übertrifft ACM die klassische BPM, denn ACM gestattet die Modellierung von Workflows sowohl zur Design- als auch zur Ausführungszeit. Abweichungen von Ausführungen gegenüber der Vorlage zeigen unmittelbar an, dass die Case-Vorlage unter Umständen angepasst werden sollte. In Kombination beispielsweise mit einem Lean-Startup-Ansatz können diese flexiblen Prozesse schnell am Markt evaluiert und dadurch korrigiert werden. Dieses Vorgehen minimiert das Risiko, falsche Ergebnisse zu erzielen und viele Ressourcen unnötig einzusetzen.

Wer ACM verwendet muss nicht auf Automatisierung verzichten. Genauso wie in der klassischen BPM lassen sich die Cases computergestützt ausführen. Dies geschieht meist durch ein Vorschlagssystem, welches Tätigkeiten vorgibt, die der Zielerreichung nützlich sind. Der Einsatz von ACM erlaubt in einer Fall-Bearbeitung, auf bereits etablierte Prozesse zurückzugreifen. So können flexible Tätigkeiten mit Standard-Abläufen des Unternehmens gemischt betrieben werden. Ein weiteres Potential aus der klassischen BPM-Welt hat ACM ebenfalls adaptiert: den Decision Model and Notation Standard der OMG. Damit lassen sich Entscheidungen nicht nur formal dokumentieren, sondern sind auch der Automatisierung dienlich. Ein weiterer Vorteil dieses Standards ergibt sich, wenn aus ausgeführten Tätigkeiten und Wissen von Case-Arbeitern Entscheidungen möglichst autonom gelernt werden und eine Case-Vorlage bereichern.

Auch bei der Prozessdigitalisierung sind die Themen zu Modellierung, Prozessarchitektur, Abbildung von Business Capabilities oder auch Prozessautomatisierung keine neuen. Jedoch ergibt sich in der heute agilen Umgebung, in der sich Unternehmen am Markt bewegen müssen, ein Wandel in den eingesetzten Methoden. Damit Risiken minimiert werden können, die Prozessergebnisse eine mindestens gleichbleibende Kundenakzeptanz finden und Prozesse dennoch nachhaltig dokumentiert sind, müssen flexiblere Prozesse mit gängigen Standards und  schnellere Entwicklungen, bzw. Modellierungen, im Fokus stehen. Damit kehrt auch die Wissensarbeit neben der Routinearbeit wieder ein. Sowohl ACM als auch DMN unterstützen die klassische BPM in der Prozessdigitalisierung.

ACM ist folglich nicht als Ersatz der klassischen BPM zu sehen. Da sich ACM den Themen der klassischen BPM annimmt und um die gezeigten adaptiven Aspekte erweitert, kann ACM neben der klassischen BPM als gleichwertige Teildisziplin eines übergeordneten BPM angesehen werden. Dieses legt ganzheitlich fest, wie in einem Unternehmen Arbeitsschritte identifiziert, dokumentiert, implementiert oder automatisiert werden.

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